Montag, 27. Oktober 2008

Zur Lage der Stadt und über unsere Hausgemeinschaft

Ein Monat hab ich jetzt schon lange hintermir, in dieser im Moment nicht zur Ruhe kommenden Stadt Tijuana. Dass gibt natürlich großen Anlass wieder mal ein bisschen meine Eindrücke wiederzugeben.

Wie vielleicht einige aufmerksame Zeitungsleser bemerkt haben, passieren hier im Moment ziemlich traurige Dinge. In den letzten Wochen ist hier nämlich ein heftiger Krieg zwischen rivalisiernden Drogen-kartellen ausgebrochen, immer wieder hört man von Auftragsmorden an Drogendealern und Menschen die in diesem Geschäft mitmischen.

Die Situation ist ein bisserl kompliziert: Tijuana liegt auf einer der größten Schmuggelrouten von Drogen aller Art aus Südamerika in die U.S.A., was bedeutet das hier viel Geld zu holen ist. Den Handel kontrollieren ein paar mächtige Kartelle die so ziemlich überall, also auch in Politik usw. ihre Finger im Spiel haben. Der jetzige Präsident hat sich zum Ziel gesetzt diese Kartelle mit voller Härte zu bekämpfen und lässt jetzt auch hier in Tijuana dass Militär aufmaschieren, was die Situation immerhin ein bisschen beruhigt (heute haben sie 2 der absolut obersten Köpfe dieser Kartelle verhaftet, mal sehen was das jetzt bedeutet).

Einer Familie die regelmäßig in unser Oratorium kommt, deren Kinder bei uns in die Schule gehen, haben sie den Sohn erschossen, der war gerade einmal 15 Jahre alt, aber eben schon in kleine Drogengeschäfte verwickelt. Für ihn und einen zweiten Jugendlichen war in unserer Kirche die Seelenmesse, das war eine ziemlich traurige Angelegenheit.

Und hier erkennt man die Wichtigkeit unserer Arbeit hier: die Jugendlichen die hier aufwachsen, werden verführt von der Vorstellung als Drogendealer, als Chollo, wie der sich darum drehende Jugendkult heißt, das schnelle Geld zu machen, sich Respekt zu verschaffen. Dass dieser Weg schlussendlich im Grab oder im Gefägnis endet daran denkt in dem Alter eben niemand. Diesen Jugendlichen fehlen die Perspektiven: sie gehen nicht mehr in die Schule, zu Hause sind die Mütter mit den vielen anderen Kindern voll beschäftigt, die Väter sind oft nicht da, sondern versuchen in den U.S.A. irgendeine Arbeit zu finden um die Familie irgendwie über Wasser zu halten (das die meisten der Illegalen Einwanderer wenn überhaupt dann im Sarg zurückkehren, das wird dabei akzeptiert).

So geht es auch einigen Jugendlichen die zu uns ins Oratorium kommen: Eine Gruppe von 15-jährigen Chollos, die uns noch vor kurzer Zeit die Wände angesprayt hat und sich täglich mit Mariuhana zugedröhnt haben, kommt jetzt fast jeden Tag, einfach weil es ihnen hier so gut gefällt. Teilweise spielen sie auch mit den Kindern, und 2 von ihnen holen jetzt bei uns ihren Schulabschluss nach. Ich muss ihnen zwar immer wieder sagen dass sie gefälligst nicht im Oratorium rauchen sollen, aber trotzdem merkt man irgendwie das diese Jugendlichen langsam auf einen besseren Weg kommen. Das sind so die Erlebnisse die einem zeigen was die Arbeit hier wirklich bewirken kann.

Ja, vielleicht auch ein bisschen was zu unserer Gemeinschaft hier: Wir wohnen hier, in einem absolut sicheren Viertel, alle zusammen. 7 Padres und 7 Volontäre. Jeden Tag um 6:30 gibts Gebet, dann fahren alle für den ganzen Tag in ihre Oratorien und am Abend um 22:00 treffen wir uns noch mal alle zum Abendgebet. Danach essen wir, putzen die Küche und gehen schlafen. Nur nicht am Montag, weil da ist der wohlverdiente freie Tag, wo wir öfters Ausflüge unternehmen oder mit einem Padre einen Retiro (Einkehrtag) begehen. Dazu schick ich hier ein paar Fotos von unserem gestrigen Fest zum Nationalfeiertag und unserem heutigen Ausflug nach Ensenada.


Liebe Grüße an alle

Max















Am Nationalfeiertag haben wir Kaiserschmarren mit Apfelmuß gemacht, wie man sieht hats den Mexikanern sogar geschmeckt (v.L.n.R.: Ich, Padre Manuel, Padre Raul, Raffael, Padre Enrique, Christoph, Evelyn)















Volontäre beim singen der Bundeshymne (v.L.n.R.: Christina, Evelyn, Christoph, Theresia, Raffael, Ich)

Ausflug mit Padre Raul an den Strand von Ensenada







Donnerstag, 9. Oktober 2008

Schlag auf Schlag - Freude, Leid und viele Kinder

Hallo

3 Wochen Tijuana, zurück bleiben tonnenweise neue, schöne, traurige, heftige Eindrücke. Ich bin jetzt seit 2 Wochen an meinem fixen Arbeitplatz, dem Oratorium "Domingo Savio".

Wir sind in einem der ärmeren Viertel Tijuanas, gerade deshalb auch immer gut besucht: Wir haben eine Volksschule ("escuela"), die (was hier eine Ausnahme ist) gratis ist und wo dementsprechend Kinder hingehen, die sonst nirgends genommen werden. Über 80 Kinder sind es mittlerweile bei 3 Lehrerinnen und 2 Volontären (neben mir noch Theresia aus Oberösterreich).

Wobei die Kinder hier teilweise in sehr prekären Lebenssituationen leben. America ein Mädchen von 8 Jahren ist im Prinzip auf sich alleine gestellt, da ihr Bruder mit dem sie zusammenlebt am Tag arbeiten geht und nicht die Möglichkeit hat sich viel um sie zu kümmern. Deshalb ist sie fast die ganze Zeit im Oratorium und macht auch ihre Hausübungen mit uns.

Daneben gibt noch viele weitere Angebote, von Gitarrenkurs bis Katechismusunterricht, die von den vielen helfenden Jugendlichen hier gemacht werden. Die größte Attraktion sind aber natürlich unsere Fußballplätze, auf der auch jeden Sonntag Liga gespielt wird (mit ofiziellem Schiedsrichter und Pokalen).

Die Pfarrgemeinde hier hat mich auch gut aufgenommen, wir sind ja jeden Tag bei einer anderen Familie essen (ich will gar nicht wissen wie viel ich hier schon zugenommen hab^^). Dort bekommen wir auch am besten vom Alltagsleben der Bevölkerung etwas mit:

Im Moment geht hier die Angst um, weil, wie es wahrscheinlich auch in österreich zu lesen war, in den letzten Wochen zahlreiche Opfer im Kampf der mächtigen Drogenkartelle gab. Diese komplizierte Situation werde ich an anderer Stelle beschreiben fürs erste: wir sind absolut sicher. Diese Morde werden gezielt ausgeführt an Personen die sich im Drogenhandel bewegen. Wir sind davon nicht betroffen, da wir in einem sicheren Viertel wohnen und das Haus in der Nacht nicht verlassen. Außerdem arbeiten wir in einer Kirche und die ist hier die einzige unanfechtbare Autorität.

Zu Positiveren Dingen: Ich schicke hiermit auch die ersten Fotos von meiner Arbeit hier und werd mich bald wieder melden.

Liebe Grüße
Max








Niños de la escuela (Schulkinder)

Jovenes und Padre Manuel (links vorne)
Oratorium