Wie vielleicht einige aufmerksame Zeitungsleser bemerkt haben, passieren hier im Moment ziemlich traurige Dinge. In den letzten Wochen ist hier nämlich ein heftiger Krieg zwischen rivalisiernden Drogen-kartellen ausgebrochen, immer wieder hört man von Auftragsmorden an Drogendealern und Menschen die in diesem Geschäft mitmischen.
Die Situation ist ein bisserl kompliziert: Tijuana liegt auf einer der größten Schmuggelrouten von Drogen aller Art aus Südamerika in die U.S.A., was bedeutet das hier viel Geld zu holen ist. Den Handel kontrollieren ein paar mächtige Kartelle die so ziemlich überall, also auch in Politik usw. ihre Finger im Spiel haben. Der jetzige Präsident hat sich zum Ziel gesetzt diese Kartelle mit voller Härte zu bekämpfen und lässt jetzt auch hier in Tijuana dass Militär aufmaschieren, was die Situation immerhin ein bisschen beruhigt (heute haben sie 2 der absolut obersten Köpfe dieser Kartelle verhaftet, mal sehen was das jetzt bedeutet).
Einer Familie die regelmäßig in unser Oratorium kommt, deren Kinder bei uns in die Schule gehen, haben sie den Sohn erschossen, der war gerade einmal 15 Jahre alt, aber eben schon in kleine Drogengeschäfte verwickelt. Für ihn und einen zweiten Jugendlichen war in unserer Kirche die Seelenmesse, das war eine ziemlich traurige Angelegenheit.
Und hier erkennt man die Wichtigkeit unserer Arbeit hier: die Jugendlichen die hier aufwachsen, werden verführt von der Vorstellung als Drogendealer, als Chollo, wie der sich darum drehende Jugendkult heißt, das schnelle Geld zu machen, sich Respekt zu verschaffen. Dass dieser Weg schlussendlich im Grab oder im Gefägnis endet daran denkt in dem Alter eben niemand. Diesen Jugendlichen fehlen die Perspektiven: sie gehen nicht mehr in die Schule, zu Hause sind die Mütter mit den vielen anderen Kindern voll beschäftigt, die Väter sind oft nicht da, sondern versuchen in den U.S.A. irgendeine Arbeit zu finden um die Familie irgendwie über Wasser zu halten (das die meisten der Illegalen Einwanderer wenn überhaupt dann im Sarg zurückkehren, das wird dabei akzeptiert).
So geht es auch einigen Jugendlichen die zu uns ins Oratorium kommen: Eine Gruppe von 15-jährigen Chollos, die uns noch vor kurzer Zeit die Wände angesprayt hat und sich täglich mit Mariuhana zugedröhnt haben, kommt jetzt fast jeden Tag, einfach weil es ihnen hier so gut gefällt. Teilweise spielen sie auch mit den Kindern, und 2 von ihnen holen jetzt bei uns ihren Schulabschluss nach. Ich muss ihnen zwar immer wieder sagen dass sie gefälligst nicht im Oratorium rauchen sollen, aber trotzdem merkt man irgendwie das diese Jugendlichen langsam auf einen besseren Weg kommen. Das sind so die Erlebnisse die einem zeigen was die Arbeit hier wirklich bewirken kann.
Ja, vielleicht auch ein bisschen was zu unserer Gemeinschaft hier: Wir wohnen hier, in einem absolut sicheren Viertel, alle zusammen. 7 Padres und 7 Volontäre. Jeden Tag um 6:30 gibts Gebet, dann fahren alle für den ganzen Tag in ihre Oratorien und am Abend um 22:00 treffen wir uns noch mal alle zum Abendgebet. Danach essen wir, putzen die Küche und gehen schlafen. Nur nicht am Montag, weil da ist der wohlverdiente freie Tag, wo wir öfters Ausflüge unternehmen oder mit einem Padre einen Retiro (Einkehrtag) begehen. Dazu schick ich hier ein paar Fotos von unserem gestrigen Fest zum Nationalfeiertag und unserem heutigen Ausflug nach Ensenada.
Liebe Grüße an alle
Max
Am Nationalfeiertag haben wir Kaiserschmarren mit Apfelmuß gemacht, wie man sieht hats den Mexikanern sogar geschmeckt (v.L.n.R.: Ich, Padre Manuel, Padre Raul, Raffael, Padre Enrique, Christoph, Evelyn)
Volontäre beim singen der Bundeshymne (v.L.n.R.: Christina, Evelyn, Christoph, Theresia, Raffael, Ich)
Ausflug mit Padre Raul an den Strand von Ensenada